Geographische Gesellschaft zu Hannover
Geographische Gesellschaft zu Hannover

Bücherecke

 

Bücher, die uns auffielen!

 

 

Ausgewählt und in der

 

 

GGH-

 

Bücherecke

 

vorgestellt!

 

Nicht nur für Geographinnen und Geographen

 

 

 

Aber Vorsicht: Lesen gefährdet die

 

Dummheit!

 

 

In der Rubrik „GGH-Bücherecke“ möchte die Geographische Ge­sellschaft zu Hannover auf Bücher, die geographisch interessant sowie kompetent und ansprechend geschrieben sind, aufmerksam machen und sie kurz vorstellen. Die Auswahl ist natürlich subjektiv und nicht repräsentativ.

Viel Spaß beim Schmökern!

 

Und vielleicht nennen Sie uns Ihren persönlichen Buch-Favoriten und schicken uns sogar einen

kleinen Text dazu!

 

 

 

Jörg Friedhelm Venzke

Prof. Dr. J. F. Venzke, Lessingstr. 6, 27367 Sottrum | Tel.: 04264-584 | E-Mail: jfvenzke@uni-bremen.de

Beurteile einen Tag nicht danach, welche Ernte du am Abend eingefahren hast, sondern danach, welche Samen du gesät hast.

Robert Louis Stevenson (1850 bis 1894)

 

 

 

 

 

Dieter Gerten

Wasser. Knappheit, Klimawandel, Welternährung

C. H. Beck Paperback, 2. Aufl., 2020, 207 S., 14,95 €. ISBN 978-3-406-68133-2

 

 

Zum Thema dieses Buches existieren lange Regalwände mit fach- und populärwissen­schaftlichen Veröffentlichungen. Warum also nun noch eine in dieser Vorstellung?

Der Autor – ausgewiesener Experte am renommierten Potsdam-Institut für Klimafol­genforschung – stellt in kompakter und kompetenter Weise die Strukturen und Prozes­se der globalen Wasserkrise dar. In acht Kapiteln behandelt Dieter Gerten den Zusam­menhang zwischen Klimawandel und Wasserressourcen, fragt, ob in Zukunft noch ge­nug Wasser zur Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung steht, und zeigt Wege zur Wassereinsparung in der Landwirtschaft auf.

Er tut dies als Naturwissenschaftler und bringt uns u. a. den Unterschied zwischen „blauem“ und „grünem“ Wasser und die Bedeutung der Einbeziehung von „virtuel­lem“ Wasser in Ökobilanzen und bei unserer persönlichen Einstellung um Wasserver­brauch nahe.

Er beschäftigt sich aber auch – und das macht das Buch so besonders – mit den ethi­schen und religiösen Aspekten eines „neues Wasserethos“ und empfiehlt eine Ergän­zung des naturwissenschaftlich-technisch-ökonomischen Denkens um ein anderes, viel­leicht sogar spirituelles Bewusstsein im Umgang mit Wasser und Gewässern, wie es in anderen Kulturen und vor der europäischen Aufklärung üblich war.

Das Buch fordert vom Leser konzentriertes Lesen, schenkt ihm aber dafür eine detail­reiche und durchdachte Kenntnis und neue Perspektiven zu einem der bedeutendsten Problemfelder der Menschheitsgeschichte. Gertens letzte Sätze in diesem Buch: Von Kohle und Öl wird früher oder später keine Rede mehr sein. Aber die Frage, wie man an das lebensnotwendige, durch nichts ersetzbare Wasser kommt, wird die Menschheit bis an ihr Ende begleiten.“

 

Jörg Friedhelm Venzke


 

 


 

Andri Snær Magnason

Wasser und Zeit.

Eine Geschichte unserer Zukunft

Insel Verlag, 2020, 303 S., 24,- €. ISBN 978-3-458-17868-2

 

 

Die globale Temperaturerhöhung frisst Gletscher! In den Polargebieten und Hochgebir­gen und auch auf Island, dem „Eisland“!

Der isländische Autor ist Literaturwissenschaftler und Umweltaktivist. Mit seinem Buch „Traumland. Was bleibt, wenn alles verkauft ist?“ setzte er sich bereits 2011 mit der isländischen Energiepolitik und der internationalen Aluminiumindustrie kritisch auseinander. Und als 2014 der erste isländische Gletscher, der Okjökull, dem Klima­wandel zum Opfer fiel, verfasste er einen „Brief an die Zukunft“ für die Gedenktafel im Hochland.

In seinem neuen Buch beschäftigt sich Andri auf sehr persönliche, aber immer wissen­schaftlich fundierte Weise mit den menschengemachten Umweltveränderungen, die nicht nur Island stark treffen. Die Darstellungen des Gletscherrückganges umfassen im Wesentlichen die überschaubaren Lebensspannen der Generationen seiner Familie. Andris Großeltern, geboren 1924, nahmen 1951 als Frischverheiratete an einer der ers­ten Expeditionen auf den Vatnajökull teil und vermaßen Schneemächtigkeiten, übri­gens mit dem jungen Sigurður Þórarinsson, dem späteren Grand Seigneur der isländi­schen Geowissenschaften. Der Autor selbst ist gegenwärtig sehr engagiert im Schutz des isländischen Hochlandes vor einer profitorientierten Ausbeutung der Wasserressour­cen und Zerstörung einzigartiger Ökosysteme. Und den Blick in die Zukunft wagt er, indem er seine Tochter Hulda Filippía fragt, wie denn wohl die Welt aussieht, wenn ihre Urenkel wieder Urenkel haben.

Andri verknüpft Betrachtungen zur anthropogenen Landschaftsdegradation, Zukunft des Klimas und Artenvielfalt mit persönlichen Erfahrungen und Begegnungen mit namhaften Wissenschaftlern und sogar mit Gesprächen mit dem Dalai Lama und ent­wickelt daraus auch politische Forderungen: „Der Natur werden keine Rechte eingeräumt, unberührtes Land wird als ‚ungenutzter Rohstoff‘ definiert, und es werden keine gesetzlichen Stra­fen für Ökozide eingeführt. … Mit Ökozid-Gesetzen wäre es möglich, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die an der Vernichtung von Ökosystemen beteiligt sind.

Gegen Ende des Buches gibt Hulda Filippí im Jahr 2102 den Appell an ihre Enkeltöch­ter weiter: „Eure Zeit ist die Zeit eines Menschen, den ihr kennt und liebt, der euch prägt, und auch die Zeit eines Menschen, den ihr kennen und lieben werdet, die Zeit, die ihr prägen werdet. Alles, was ihr tut, ist wichtig.

Für Island-Freunde ist dieses Buch ein Muss. Aber nicht nur für sie. Es spricht alle an, die sich Sorgen machen um die Zukunft unseres Planeten.

 

Jörg Friedhelm Venzke

 

 

 

 

 

 

 

Alice Roberts

Spiel des Lebens.

 

Wie der Mensch die Natur und sich selbst zähmte

Wissenschaftliche Buchgesellschaft/Theiss, 2019, 374 S., 24,- €. ISBN 978-3-8062-3883-9

 

 

Welche Pflanzen und Tiere sind für uns Menschen wichtig? „Natürlich“ ganz viele, seit eh und je. Und trotz aller Bestrebungen, uns von der Natur zu emenzipieren, sind wir als Menschen auch heute eingebunden in ökosystemare Zusammenhänge und damit angewiesen auf Interaktionen mit Partnern, Konkurrenten oder Schädigern aus Flora und Fauna. Dabei haben wir spätestens seit der Neolithischen Revolution etliche Arten nach unseren Bedürfnissen domestiziert, gezüchtet … oder ausgerottet.

Die Autorin – Medizinerin, Anthropologin und Paläopathologin – präsentiert und er­örtert höchst kompetent, wissenschaftlich fundiert und detailreich die Kulturgeschichte von neun Pflanzen- und Wirbeltierarten, die für den Menschen eine überragende Rolle bei seinem Überleben und seiner eigenen Entwicklung gespielt haben bzw. immer noch spielen. Raten Sie einmal, welche das wohl sein könnten?

Alice Roberts stellt auf jeweils etwa dreißig Seiten die Herkunft, die Veränderungen durch und die Bedeutung für den Menschen von Hunden, Weizen, Rindern, Mais, Kartoffeln, Hühnern, Reis, Pferden und Äpfeln vor. Die zehnte Art, mit der sie sich beschäftigt, sind wir selbst – Homo sapiens sapiens. Denn nicht nur der Mensch hat die genannten Pflanzen und Tiere zu seinem Nutzen in ihrer Ökologie und in ihrem Wesen verändert, auch sie haben in einer Koevolution Einfluss auf die Entwicklungsge­schichte des Menschen der letzten Tausende von Jahren genommen.

Ein bemerkenswertes Buch, über das der britische The Guardian schreibt, es sei „der ideale Einstieg in die Geschichte der Menschheit“. Stimmt!

 

Jörg Friedhelm Venzke

 

 

 

 

 

 

 

Andrea Wulf

Alexander von Humboldt

 

und die Erfindung der Natur

 

Penguin Verlag, 2018, 560 S., 15,- €. ISBN 978-3-328-10211-3

 

 

Wie viel ist schon über Alexander von Humboldt geschrieben worden, wie viele Orte auf der Erde und auf dem Mond, wie viele Schulen tragen seinen Namen? Sogar eine Meeresströmung! Nach keinem anderen Menschen sind weltweit mehr Objekte benannt!

Alexander von Humboldt (1769-1859), eine ganz außergewöhnliche Persönlichkeit: Naturwissenschaftler und Universalgelehrter. Begründer der modernen, empirisch forschenden Geographie! Aber auch wissenschaftlicher Generalist auf der Spur nach den großen Zusammenhängen in der Natur. Geprägt von den Idealen der Aufklärung.

Die Autorin, deutsch-britische Kulturwissenschaftlerin und Publizistin, schildert in ihrem Buch „natürlich“ die geradezu abenteuerlichen Forschungsreisen von Alexander von Humboldt und seines französischen Begleiters Aimé Bonpland 1799 bis 1804 durch die venezuelanischen Llanos und Regenwälder entlang des Orinoco, durch die kolumbianischen, ecuadorianischen und peruanischen Anden und besonders die Erst­besteigung des unmittelbar am Äquator gelegenen, rund 6300 Meter hohen Chimbora­zo, sowie die Reisen durch Zentral-Mexiko. „Natürlich“ findet sich im Bildteil die „klas­sische“ und modellhafte Darstellung der Vegetationhöhenstufung am Chimborazo. Die akribische Sammlung von Beobachtungen, Messungen und Objekten zur Natur der Tropen und deren Hochgebirge findet ihren Niederschlag im 29-bändigen Amerika-Werk (1807-1838), zu dem auch die „Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer“ gehört. Und „natürlich“ wird auch die Forschungsreise durch Russland, Zentralasien und Westsibirien, die Alexander von Humboldt noch im Alter von 60 Jahre antritt, behandelt.

Ein besonderes Kapitel widmet sich Alexander von Humboldts Spätwerk, seinem fünf­bändigen Kosmos. Versuch einer physischen Weltbeschreibung“ (1845-1862), die Krönung seines Wissenschaftlerlebens. Damit verwirklicht er seine Vision, die ihm vom Beginn seiner Naturforscher-Tätigkeit an vorschwebte und als Richtschnur seines Handelns in allen wichtigen Entscheidungssituationen bestimmte: „Ich habe den tollen Einfall, die gan­ze materielle Welt, alles, was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsräume und des Er­denlebens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Granitfelsen wissen, alles in einem Werke darzustellen, und in einem Werke, das zugleich in lebendiger Sprache anregt und das Gemüt ergötzt. Hier versucht er, der Generalist, das vielfältige Wissen über die Na­tur und den Menschen zusammenzuführen, den Blick für die wissenschaftliche Ge­samtschau der Welterforschung durch Geographie, Klimatologie, Geologie, Botanik und Zoologie zu schärfen und der sich abzeichnenden Spezialisierung in den verschie­denen wissenschaftlichen Disziplinen entgegenzuwirken. Wie modern ist das und welch eine wichtige Botschaft auch in die heutige Wissenschaftslandschaft!

Dies alles präsentiert Andrea Wulf in ihrem umfangreich recherchierten Buch höchst kompetent; das Verzeichnis der Anmerkungen und Literaturhinweise ist nahezu unend­lich (stört aber auch nicht). Und sie schreibt höchst ansprechend, sodass man auf den gut 400 Textseiten nicht ermüdet.

Doch den besonderen Reiz des Buches, der es auch von anderen Humboldt-Biographi­en abhebt, sind die umfangreichen Darstellungen der Begegnungen mit verschiedenen Persönlicheiten, die – in der einen oder anderen Form – , das Denken des 19. Jahrhun­derts in Bezug auf Naturwissenschaften, besonders Ökologie, aber auch Naturschutz so­wie gerechtem Zusammenleben der Menschen, geprägt haben:

Noch vor seinen Südamerika-Reisen tauscht er sich in Weimar intensiv mit Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) über Kunst und Naturbeschreibung aus. Fast zeit­gleich erscheinen später Faust I und die ersten Bände des Humboldtschen Amerika-Werkes.

Auf der Rückreise aus Südamerika trifft Alexander von Humboldt in Washington den amerikanischen Präsidenten Thomas Jefferson (1743-1826), mit dem er über die ameri­kanische Verfassung und die Menschenrechte diskutiert, jedoch keine Bewegung in der Sklavenfrage bewirken kann.

Den südamerikanischen Revolutionär Simón Bolívar (1783-1830) trifft er 1804 erst­mals in Paris, bevor er – drei Jahre später und von den Gedanken der Aufklärung inspi­riert – nach Südamerika geht und dort den Weg der Befreiung ebnet. Humboldts Kri­tik am Kolonialismus zur Sklaverei waren gewichtig in seinem Gepäck.

Charles Darwin (1809-1882) begibt sich 1831 an Bord der Beagle zu seiner legendären Forschungsreise, während der er die Grundzüge der Evolutionsbiologie erkennt. Auch er hatte Humboldts Erkenntnisse im Gepäck. Darwin schrieb, beim Verlassen von Te­neriffa und seekrank, „… jetzt verstehe ich Humboldts Begeisterung über die tropi­schen Nächte“. Im Todesjahr von Alexander von Humboldt – 1859 – erscheint Charles Darwins Hauptwerk „On the Origin of Species“.

Im Sommer 1847 zieht sich Henry David Thoreau (1817-1862) in Massachusetts im Nordosten der USA in die Einsamkeit der Wälder zurück. Er lebt dort über zwei Jahre mehr oder weniger in Askese und schreibt den Roman „Walden. Oder das Leben in den Wäldern“ und wird damit zu einer der bedeutendsten Personen der amerikanischen Li­teratur des 19. Jahrhunderts. Er gilt als einer der Protagonisten der frühen amerikani­schen Umweltschutz- und Bürgerrechtsbewegung. Alexander von Humboldts Kritik an der Sklaverei und seine Naturbeschreibungen hatten großen Einfluss auf Thoreau.

George Perkins Marsh (1801-1882) gilt als einer der ersten Umweltschützer in den USA, und dies in einer Zeit des industriellen Aufschwungs. Mit seinem Buch „Man and Nature“ (1864), dem er gerne den Untertitel „Der Mensch, Störenfried der Harmo­nie in der Natur“ gegeben hätte (den der Verleger jedoch gestrichen hatte), hatte er nicht unerheblichen Einfluss auf die amerikanische Politik und wurde zur Ikone der amerikanischen Naturschutzbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Marsh gewann einen besonderen Sinn für den Zusammenhang zwischen menschli­chem Handeln und der Natur die Lektüre von Alexander von Humboldts Werken.

Recht ambivalent ist die „Beziehung“ zu Ernst Haeckel (1834-1919), den er persönlich nie kennengelernt hat, den aber seine Schriften wohl stark beeinflusst haben. Haeckel hat den Begriff „Ökologie“ geschaffen und Humboldts Naturbegriff weiter transpor­tiert. Haeckels Ausführungen zu Rassentheorien und besonders zum Sozialdarwinis­mus sind umstritten, haben jedoch nichts mit Humboldts Schriften zu tun.

Mit John Muir (1838-1914), geboren in Schottland, und dann später den amerikani­schen Westen von der kalifornischen Sierra Nevada bis nach Alaska durchstreifend und erforschend, verbindet Alexander von Humboldt die Begeisterung für die Vielfalt und Verwobenheit der Natur und das Leben in und mit ihr. Und der Gedanke, Natur um ihrer selbst willen und für die Nachwelt zu schützen. Humboldts Äußerungen zu den wichtigen ökologische Funktionen von Wäldern und deren massiven Zerstörung begeis­tern Muir sehr; er entdeckt die „Universität der Wildnis“. Die Gründung des „Sierra Clubs“, einer der bedeutendsten Umweltschutzorganisationen der Welt ist sein Werk. Wenn auch mit zeitlicher Distanz und der Distanz zwischen preußischem Professor und nordamerikanischen Naturschützer, ist der Einfluss von Alexander von Humboldt auf die amerikanische und damit weltweite Naturschutzbewegung sehr deutlich.

Sie sehen: Alexander von Humboldt ist eine wahrlich bemekenswerte und in vielfälti­ger Weise prägende Persönlichkeit, dessen Biographie man sich gerne einige Zeit des in­tensiven Lesens hingeben darf. Ich empfehle Ihnen das Buch von Andrea Wulf sehr!

 

Jörg Friedhelm Venzke


 

 

 


 

Dirk Steffens & Fritz Habekuß

Über Leben.

 

Zukunftsfrage Artensterben:

 

Wie wir die Ökokrise überwinden

 

Penguin Verlag, 4. Aufl., 2020, 238 S., 20,- €. ISBN 978-3-328-60131-9

 

 

Dirk Steffens, den einen der beiden Autoren dieses Buches, kennen sicherlich viele als Moderator der ZDF-Fernsehreihe „Terra X“, für die er seit etlichen Jahren weltweit un­terwegs ist. Der andere Autor, Fritz Habekuß, ist ebenfalls Wissenschaftsjournalist und schreibt für DIE ZEIT. Beide haben ein Buch verfasst, das fachlich sehr gut und um­fangreich recherchiert ist und kompetent präsentiert wird und spannend von dem The­ma erzählt, für das sie „brennen“: Verlust von Biodiversität!

Unser Planet steht vor einem beispiellosen Verschwinden von Lebensvielfalt. Das Ster­ben von Pflanzen- und Tierarten ist allgegenwärtig und dramatisch. In der Erdgeschich­te hat es zwar mehrere Phasen gegeben, während der 50 bis 80 % der zu der jeweiligen Zeit lebenden Arten ausstarben! Doch diese Phasen dauerten einige Millionen Jahre; Zeitdimensionen, die wir nicht fühlen können. Das gegenwärtige Artensterben erfolgt jedoch in wenigen hundert Jahren! Jeder kann es wahrnehmen.

Da greifen direkte Ausrottung, z. B. durch Wilderei, Überfischung und Pestizideinsatz, mit der weltweiten Vernichtung von Lebensräumen, drastischen und kurzfristig verlau­fenden Veränderungen der Lebensbedingungen sowie einer gentechnisch betriebenen „Auswahl“ von „nützlichen“ Arten Hand in Hand.

Ursache für diesen Verlust von Biodiversität ist der „weise“ Mensch – Homo sapiens sapi­ens. Und dessen wichtigster Antrieb, der zur Selbstzerstörung führt oder führen kann, ist Gier und Respektlosigkeit gegenüber der Schöpfung.

Dirk Steffens und Fritz Habekuß zeigen aber nicht nur die Bedrohung der Lebensviel­falt und deren Auswirkungen auf unsere menschliche Existenz auf, sie zeigen auch Per­spektiven für die Zukunft, für ein politisches Umgehen mit diesen Herausforderungen auf. Eine Idee dazu ist, die Natur mit einklagbaren Rechten auszustatten, dem Umwelt­ressort in einer Regierung ein absolutes Vetorecht bei Maßnahmen mit weitreichenden gesellschaftlichen und ökologischen Veränderungen einzuräumen: „Doch noch“, so schreiben sie, „blendet unser Rechtsverständnis diese Erkenntnis aus. Um ihr Rechnung zu tra­gen, müssen wir unsere Moral erweitern. Wenn Aktiengesellschaften Rechte haben können, gibt es keinen Grund, sie – beispielsweise – dem Mississippi [dem zur Kloake verkommenen Strom /Anm. des Verf.] zu verweigern.“ Aber vielleicht liegt in der Corona-Krise die gro­ße Chance – so schreiben sie weiter – in der Bereitschaft, wissenschaftliche Erkenntnis­se als Handlungsrahmen zu akzeptieren. Eine Renaissance der Aufklärung!

Man kann nur hoffen, dass ein Satz, der Albert Einstein zugeschrieben wird und den die beiden Autoren zitieren, nicht ganz stimmt: „Nur zwei Dinge sind unendlich. Das Uni-versum und die menschliche Dummheit“. Wobei sich Einstein beim Universum angeblich nicht ganz sicher war!

Über Leben“ ist höchst lesens- und deshalb höchst empfehlenswert!

 

Jörg Friedhelm Venzke

 

 

 

 

 

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